{"id":2728,"date":"2014-12-07T11:58:15","date_gmt":"2014-12-07T09:58:15","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=2728"},"modified":"2014-12-07T11:58:15","modified_gmt":"2014-12-07T09:58:15","slug":"neunzehnhundertsechsundfuenfzig","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/neunzehnhundertsechsundfuenfzig\/","title":{"rendered":"Neunzehnhundertsechsundf\u00fcnfzig"},"content":{"rendered":"

Ach wie romantisch war’s doch fr\u00fcher, als wir noch Wandern sagten. Schon das Wort „Wandern“ weckt Erinnerungen an die beschaulichen Jahre der Wirtschaftswunderzeit. Die Welt war noch klar aufgeteilt in Ost und West, gut und b\u00f6se – wobei die jeweilige Zuordnung von der politischen Einstellung abhing. Heimatfilme lie\u00dfen etliche Marias und Johannes‘ zueinander finden (sie trugen oftmals andere Namen, das Prinzip war stets dasselbe), die sich nicht selten bei einer Wanderung n\u00e4her kamen.
\nAuch der Durchschnittsmensch wanderte gerne. Wie Johannes. Oder Maria. Meistens Johannes und Maria, schlie\u00dflich brauchten sie etwas Zeit f\u00fcr sich alleine.
\nMan trug Kniebundhosen aus Cord, dazu ein rot-wei\u00df kariertes Hemd. Im Rucksack aus Segeltuch, dem das Sackartige deutlich anzusehen war, fand sich eine z\u00fcnftige Brotzeit, die zur Rast auf dem ebenfalls karierten Tischtuch (mangels Tisch zum Tuch degradiert) ausgebreitet wurde.<\/p>\n

Das war 1956.<\/p>\n

\u00dcber die folgenden Jahrzehnte \u00e4nderte sich kaum etwas, eventuell wurde Baumwolle durch Kunstfasern ersetzt, und der Rucksack verlor seine Sackhaftigkeit.<\/p>\n

Heute gibt es diese L\u00e4uflinge. Sie rasten nicht, sie hasten, denn ihre Zeit ist kostbar, entsprechend selten halten sie zur Brotzeit inne.
\nNahrung nimmt man gerne w\u00e4hrend der Bewegung zu sich.<\/p>\n

Dieses Ansinnen steht im Widerspruch zur Sitte der Rast, schlie\u00dft es doch aus, das man den Rucksack, absetzt. Also bleibt der Rucksack dort, wo er gem\u00e4\u00df seiner Bezeichnung hingeh\u00f6rt: auf dem R\u00fccken.<\/p>\n

Da befindet sich also das Essen.<\/p>\n

Und leider ist es dem Menschen nicht gegeben, dort in gleicherWweise zu hantieren wie an der Vorderseite seines Leibes.<\/p>\n

Noch bedauerlicher ist, dass sich diese brandneue Verwendung von Rucks\u00e4cken bislang nur wenigen Rucksackbauern erschlossen hat. Sie leben wie eh und je das romantische Rasten am Wegesrand.<\/p>\n

Wie damals.<\/p>\n

Ich stelle mir ein typisches B\u00fcro beim Rucksacktischler vor: an der Wand h\u00e4ngt ein Kalender, blockiert im Jahre 1956 wie eine stehen gebliebene Uhr. Das Motiv zeigt – was schon? – eine typische Rastszene. Bergkulisse. Maria und Johannes sitzen, einander anschmachtend, in cordsamtenen Kniebundhosen bei Schwarzbrot und Schinken auf einer gr\u00fcnen Wiese, w\u00e4hrend im Hintergrund ein Hirsch br\u00fcnftig r\u00f6hrt. Der Rucksack, achtlos beiseite gelegt, harrt seiner Wiederaufnahme auf Johannes‘ R\u00fccken.<\/p>\n

Wundert sich irgendwer, wenn des L\u00e4uflings Bed\u00fcrfnis nach griffbereiter Nahrung nur selten erf\u00fcllt wird? Immerhin, bisweilen ist eine widerwillig angebrachte Netztasche seitlich vorhanden. Um die dort untergebrachten Utensilien zu entnehmen, empfiehlt sich eine ausgerenkte Schulter und ein zweifach gebrochener Arm. Dann w\u00fcrde man zwar immer noch nicht sehen, was in der Tasche ist, k\u00e4me aber wenigstens dran.<\/p>\n

Ich will weder b\u00f6se Absicht, noch Ignoranz unterstellen. Vielmehr scheint mir diese gewisse Form von Laufrucks\u00e4cken Ausdruck eines ernsten Bildungsnotstandes. Es gebricht den Entwicklern an grundlegenden Kenntnissen menschlicher Anatomie.
\nWo kommt man mit den H\u00e4nden bequem hin?<\/p>\n

Zur Abhilfe bedarf es keines Hochschulstudiums, in unserem Fall – wir wollen lediglich lernen, wo ein Rucksack Taschen haben kann, an die man schmerzfrei herankommt, ohne ihn abzusetzen – gen\u00fcgt ein Kinderbuch. Grundschule. oder noch j\u00fcnger.
\nNoch simpler ist der Selbstversuch. Ich schlage jedem Sackschmied vor, an sich herumzufingern, dann zeigt sich ihm schnell was geht und was nicht. Mutige d\u00fcrfen ihren K\u00f6rper gerne auch unterhalb der G\u00fcrtellinie erfahren. Dabei entfernen sie sich zwar vom Rucksack, kommen sich daf\u00fcr aber n\u00e4her. Oder jemandem anderen, wenn es nicht der eigene G\u00fcrtel ist. Johannes trug damals \u00fcbrigens Hosentr\u00e4ger.<\/p>\n

Als ergebnis solcherlei Tuns stellen er dann wenig \u00fcberraschend fest: ein gescheiter Laufrucksack hat auch vorne Taschen. So wie es Nathan oder Ultimate Direction schon seit einiger Zeit vormachen. Gerne auch am H\u00fcftgurt, und da auch seitlich. Obacht, die Ellenbogen brauchen Platz um vorbeizuschwingen, und zwar auch dann, wenn die Taschen prall gef\u00fcllt sind. Derleit Gedanken sollten zwar selbstverst\u00e4ndlich sein, aber die Erfahrung zeigt, dass man besser darauf hinweist.<\/p>\n

Ich m\u00f6chte eine weitere Anregung geben: macht Taschen auf die Schultern, mit der \u00d6ffnung nach vorne. Ich habe vor einigen Jahren welche nachger\u00fcstet, meine Handschuhe reisten prima im Obergeschoss. Einfach hinein- und herauszunehmen. Au\u00dferdem w\u00e4re dort noch Platz f\u00fcr Schlaufen, die eine kleine Lampe aufnehmen falls die Stirnlampe aus irgendeinem Grund keine Alternative ist. Oder wenn sie frische Batterien braucht.
\nIch fand diesen Ort jedenfalls super.<\/p>\n

Eine zusammengerollte Picknickdecke f\u00fcr die z\u00fcnftige Gipfelrast findet dann umso mehr Platz im Hauptfach auf dem R\u00fccken.<\/p>\n

Sie passt gut zum rot-wei\u00df-karierten Laufshirt.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Ach wie romantisch war’s doch fr\u00fcher, als wir noch Wandern sagten. Gem\u00fctliche Rast am Wegesrand, ganz anders als heute. Mancherorts scheint die Zeit stehen geblieben.<\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[6,229],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2728"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2728"}],"version-history":[{"count":1,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2728\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":2729,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2728\/revisions\/2729"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2728"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=2728"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2728"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}