{"id":1928,"date":"2013-08-28T13:18:14","date_gmt":"2013-08-28T11:18:14","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=1928"},"modified":"2013-08-28T17:12:12","modified_gmt":"2013-08-28T15:12:12","slug":"sag-bitte-nichts","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/sag-bitte-nichts\/","title":{"rendered":"Sag‘ bitte nichts."},"content":{"rendered":"

Social Media l\u00e4uft, das tut es bekanntlich seit Jahren, worin es eine frappierende \u00c4hnlichkeit mit uns L\u00e4uflingen hat. Es ist ja nett, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Verschiedenen Sinnes bin ich allerdings mit runtastischen Selbstquantifizierern. Mein Freund Ren\u00e9 ist so einer…<\/p>\n

Eigentlich kann ich die Quantified Self<\/a> Bewegung verstehen. Deren Anh\u00e4nger erfassen Daten ihrer K\u00f6rper, die sie mit anderen austauschen. F\u00fcr Diabetiker ist es selbstverst\u00e4ndlich, bestimmte Werte regelm\u00e4\u00dfig zu messen – und wenn Spitzensportler ebenso wie Weight Watcher damit erfolgreich sind, ihre Messergebnisse einem interessierten Publikum mitzuteilen: warum nicht?<\/p>\n

Eigentlich ist es auch eine tolle Sache, so ein Sportdatenerfassungsger\u00e4t. Bequem mit Schnittstellen zu allen m\u00f6glichen Diensten und Ger\u00e4ten.<\/p>\n

Ich betone nochmal den Konjunktiv: eigentlich.<\/p>\n

Denn das interessierte, hochverehrte Publikum darf, den technischen Errungenschaften sei Dank, vom Daten erfassenden Menschen ziemlich frei festgelegt werden.
\nEs gibt Direktanschluss an FacebookTwitterGoogleplusundsoweiterundsofort. Und an den heimischen Rechner, s\u00e4mtliche Sportvereine, die Firma, Familie, Freunde (auch au\u00dferhalb des Internets), und s\u00e4mtliche Komilitonen, Alumni, Mitsch\u00fcler, Mitkindergartenkinder und \u00fcberhaupt: alle.<\/p>\n

Ren\u00e9 (das ist der mit der kreativ erworbenen Marathonbestzeit)<\/a> ist derart begeistert auf den Zug aufgesprungen, der da vom Bahnhof „K\u00f6rperfunktion“ nach „Ich will, dass es ALLE wissen“ f\u00e4hrt, dass ich mir beinahe Sorgen mache, er k\u00f6nnte im Zug sitzen, w\u00e4hrend er ihn – den Zug – gleichzeitig \u00fcberholt.<\/p>\n

Nicht um Ren\u00e9 sorge ich mich. Auch nicht um den Zug. Mich bangt, die Relativit\u00e4tstheorie k\u00f6nnte kippen, und alle Nerds w\u00fcrden ihr Einsteinposter – das mit der herausgestreckten Zunge – durch das Konterfei von Ren\u00e9 ersetzen.<\/p>\n

Es begann dem gleicherma\u00dfen harm- wie belanglosen „Ren\u00e9 lief gerade 1,6 runtastische Kilometer um den Aldi-Parkplatz“.
\nDas war vor ein paar Monaten. Ren\u00e9 w\u00e4re nicht Ren\u00e9, wenn er keine Chance wittern w\u00fcrde, jeden \u00fcber Dinge zu informieren, die niemand wissen will.
\nUnd heute?
\nSensoren erfassen jede, aber auch wirklich jede, irgendwie messbare Vitalfunktion seines K\u00f6rpers, diverse Softwarepakete speichern sie auf mindestens drei Computern und, vor allem: sie publizieren sie sofort.<\/p>\n

Sofort und in einem fort.<\/p>\n

Jeder Mensch in seinem Dunstkreis weiss sekundengenau mehr \u00fcber Ren\u00e9s K\u00f6rper als alle Geheimdienste dieser Erde zusammen. Und das will in unserer Zeit wirklich etwas hei\u00dfen!<\/p>\n

„Ren\u00e9 ist gerade 29,3 runtastische Meter um sein Auto spazieren gegangen“
\n„Ren\u00e9s Puls betrug gestern durchschnittlich 76 Schl\u00e4ge in der Minute. Der Mittelwert der vergangenen drei Wochen war…sein BMI ist momentan…er wiegt aktuell….“<\/p>\n

Dazu kommen selbstgeschriebene Beitr\u00e4ge, heraus kommt etwas in dieser Art:<\/p>\n

„Ich hab‘ Bl\u00e4hungen“
\n„Geht wieder #furz“
\n„Ich geh‘ jetzt schwimmen“
\n„Ren\u00e9 hat gerade einen Puls von 92 Schl\u00e4gen in der Minute“
\n„Erstmal umziehen in die neue Badehose #speedo“
\nEmpfohlener Beitrag<\/em> „Speedo. Keep going swim after swim“
\n„Huch, bin in der Damenumkleide gelandet“
\n„Ren\u00e9 hat gerade einen Puls von 183 Schl\u00e4gen in der Minute“
\n„H\u00fcbsch war sie ja…#lechz“
\n„Ren\u00e9 hat gerade….#zensiert“
\n„erste Bahn“
\n„Ren\u00e9 hat gerade einen Puls von 112 Schl\u00e4gen in der Minute“
\n„zweite Bahn. Schwimme mich langsam warm“
\n…
\n„einunddrei\u00dfigste Bahn“
\n…<\/p>\n

Und er schreibt. Und schreibt. Und schreibt. Und schreibt. Und das war nur Twitter.<\/p>\n

Ich sehe es vor mir, sehe es wirklich als w\u00e4re ich k\u00f6rperlich anwesend: Ren\u00e9 und andere quantifizierte Selbste, wie sie sich beim monatlichen Stammtisch gegenseitig ihre Daten vortragen.
\n„Mein Herz ist gesund: Ruhepuls minimal 52 Schl\u00e4ge“
\n„Einundf\u00fcnfzig, gewonnen! Ich bin herziger als du!“<\/p>\n

Gestern bekam ich es mit der Angst zu tun.
\nDiese neue App, die Stimmungen erkennt, kratzt mich weniger. Soll meinetwegen jeder wissen, dass Ren\u00e9 sich freut, verliebt ist oder seines N\u00e4chsten Weib begehrt. Nein, was mir den Angstschwei\u00df auf die Stirn treten lie\u00df, war eine kurze Bemerkung Ren\u00e9s. Ein Halbsatz, den er unbedacht vor sich hin murmelte. Er wolle gemeinsam mit einem Unternehmen der Keramikbranche Toilettensch\u00fcsseln entwickeln.<\/p>\n

Das \u00e4ngstigt mich. Ein Klo mit Schnittstellen zu Twitter und Facebook. Mit Sensoren f\u00fcr jeden Dreck – und nat\u00fcrlich automatischer Sitzerkennung, damit die Messungen auch ja dem richtigen Account zugeordnet werden.<\/p>\n

„Ren\u00e9 hat gerade ein fantastisches Geschiss gemacht.“<\/p>\n

Es folgen Farbe, Gewicht, Konsistenz. Um Himmels Willen, bitte kein Film!<\/p>\n

Am schlimmsten daran ist mein schlechtes Gewissen. Denn ich bin schuld an der Informationsdiarrhoe von Ren\u00e9.
\nIch bat ihn irgendwann: wenn du nichts zu sagen hast, sag‘ bitte nichts.
\nDas nichts sagen scheint er anders verstanden zu haben, als ich es meinte.
\nDenn seitdem h\u00f6rt er nicht auf damit, nichts zu sagen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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