{"id":1068,"date":"2013-03-23T19:10:25","date_gmt":"2013-03-23T18:10:25","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=1068"},"modified":"2013-03-25T11:43:11","modified_gmt":"2013-03-25T10:43:11","slug":"fein-zerrieben","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/fein-zerrieben\/","title":{"rendered":"fein zerrieben"},"content":{"rendered":"

„Ich laufe“. Beantwortet man die Frage, welchen Sport man treibe, auf diese Weise, so findet man sich unweigerlich als Kretin im gesellschaftlichen Abseits wieder. Der feinsinnige Sportler von heute l\u00e4uft nicht, er betreibt Crosslauf, Speed Hiking, City-Marathon oder Landschaftsl\u00e4ufe.<\/p>\n

Was ist jetzt was?<\/p>\n

Um uns im Wirrwarr zurechtzufinden, beginnen wir beim groben Klotz, um ihn zeitgen\u00f6ssisch fein zu zerreiben.<\/p>\n

Seitdem die Evolution die aufrechte Fortbewegung einf\u00fchrte, k\u00f6nnen wir dies entweder ohne Flugphase – auch „Gehen“ genannt – oder mit ihr tun, in welchem Falle wir von „Laufen“ sprechen.<\/p>\n

Im Laufe der Jahrtausende entwickelten sich aus dieser so einfachen und klaren Zweisamkeit eine Unzahl von Stilen, die zu durchschauen selbst Experten schwer f\u00e4llt. Laien wie wir stehen den Begriffen v\u00f6llig hilflos gegen\u00fcber.<\/p>\n

Selbst wenn ich es mir leicht mache, indem ich nur das betrachte, was nach speziellen Klamotten verlangt – Spazierengehen f\u00e4llt dadurch schon weg – gehen mir beim Thema Gehen rasch die Sinne davon.<\/p>\n

„Gehen“ ist als Sportart immerhin ol\u00fcmpisch. Ist es das noch? Zumindest war es das recht lange, ob ein Sport bei Olympia ist oder nicht, das \u00e4ndert sich beinahe min\u00fctlich.
\nOl\u00fcmpisches Gehen, das schaut f\u00fcr mich immer aus, als w\u00fcrden H\u00fcftkranke auf rohen Eiern herumrollen. Und das in einem Tempo… <\/p>\n

Au\u00dferhalb des Stadions gibt es „Wandern“, einschlie\u00dflich der Abk\u00f6mmlinge Bergwandern, Wattwandern, Wandern durch die L\u00fcneburger Heide. Citywandern? Nein, das haben wir nicht. Noch nicht.
\nWandern, das zeichnet sich durch eine gewisse Traditionsverbundenheit aus, ich denke da an den Alpenverein, Kniebundhosen und Edelweiss am Filzhut.<\/p>\n

Tr\u00e4gt der Wandersmann statt Fj\u00e4ll R\u00e4ven lieber Kleidung eines gewissen Jakobus Wolfsfell (der mit der Tatze), und anstelle eines h\u00f6lzernen Stockes derer zwei aus Kohlefaser, er entweder einer von mindestens neunundneunzig Prozent aller Zentraleurop\u00e4er, oder er ist ein Walker. M\u00f6glicherweise gar ein Hiker.
\nSo v\u00f6llig klar ist mir der Unterschied nicht, beim Hiking hat man, denke ich, mehr Gep\u00e4ck daben. Wenn \u00fcberhaupt.<\/p>\n

Walking, das bedeutet Gehen im Sportdress. Gewichtsmanschetten an Armen und Beinen macht den Walker zum Power Walker.<\/p>\n

Ich entsinne mich eines \u00e4lteren P\u00e4rchens, das im Wald neben einander herging und sich unterhielt. Er in Alltagsklamotten, sie im rosa Sportdress, die Handgelenke mit Handgelenksgewichtsmanschetten betont im Gehrhythmus schwingend.
\nSie powerwalkte. Er ging spazieren.<\/p>\n

F\u00fcr Nordic Walking brauchen wir St\u00f6cke. S\u00f6cke, Handschuhe, Nordic Walking Schuhe, -Hosen, -Leibchen.
\nUnd wenn wir das einen Tick schneller betreiben, auf leicht unwegsameren Wegen, als es Schotterstra\u00dfen sind, wobei wir darauf achten, keinesfalls eine Flugphase einzustreuen, dann, und nur dann, reden wir von Speed Hiking. <\/p>\n

Was war Hiking gleich wieder?
\nEgal, denn jetzt kommt sie. Die \u00dcberleitung. Zur Flugphase. Denn: mit Flugphase geht die Evolution einen Schritt weiter, sie nimmt den entscheidenden Schritt zum Nordic Running!<\/p>\n

Running ist nicht, auf keinen Fall mit „Jogging“ gleichzusetzen. In der L\u00e4uferszene kursiert ein wundersch\u00f6nes Zitat, das uns belehrt: An der Startnummer erkennen wir den L\u00e4ufer. L\u00e4ufer darf man \u00fcbrigens zum Runner sagen. Nicht aber Jogger.
\nIch erinnere mich an meine jungen Jahre, in denen ich, unbeleckt von den Feinheiten sportlicher Fortbewegung, regelm\u00e4\u00dfig zum Jogging aufbrach. Ich korrigierte meinen Vater, der sich erkundigte, ob ich denn wieder einen Waldlauf machen w\u00fcrde, entr\u00fcstet: „Nein, ich gehe Joggen“.<\/p>\n

Ich gebe zu, dass ich im Wald joggte.<\/p>\n

Wo ich, wenn ich fremd war, bisweilen die Orientierung verlor. H\u00e4tte ich mich Orientierungsl\u00e4ufer nennen d\u00fcrfen? Oder nur dann, nachdem ich mich \u00fcber den rechten Weg, von dem ich abgekommen war, orientiert hatte? Vermutlich nicht.<\/p>\n

Die Orientierung im Land des Gehens und Laufens, Walkens und Hikens, des Wanderns und des Rennens wird \u00fcbrigens nicht einfacher, wenn man sich an der Distanz orientiert. F\u00fcr einen klassischen Leichtathleten sind zehn Kilometer eindeutig Langstrecke. Ultral\u00e4ufer haken bei „Ich laufe Langstrecke“ nach: „…hundert Kilometer? 24 Stunden? Multi-Days?“.<\/p>\n

Hilft uns das Gel\u00e4uf? Trails, Bergl\u00e4ufe und Crosslauf, das \u00e4hnelt sich, nicht wahr?
\nMir scheint, Crossl\u00e4ufe sind tendenziell eher kurz und schlammig. Oder t\u00e4uschen die Fotos im Internet? Und wie nenne ich diese Wettbewerbe mit Hindernissen? Tough Guy? Strongman Run? Sind das Markennamen?
\nIch weiss nicht recht. Immer dann, wenn ich glaube, ich h\u00e4tte einen Begriff zu fassen gekriegt, glitscht er mir aus der Hand wie ein Fisch.<\/p>\n

In meiner Verwirrung wende ich mich Trails zu. Bin ja schon ein paar gelaufen. Es muss doch m\u00f6glich sein, wenigstens hier eine eindeutige Grenze zu ziehen. Rauf und runter, schmale Wege, holprig, schlammig, felsig. Nicht unwegsam, eher wenig wegsam. <\/p>\n

Klarer Fall eigentlich. Dann stolperte ich \u00fcber „Fell Running“. Die Engl\u00e4nder tun das. Nicht auf der Jagd nach Bekleidung, sondern Berge hinauf und hinunter. „Fell“, so nennt man die Berge im Norden Englands (ich sch\u00e4tze, auch die im S\u00fcden Schottlands. Und wie ist das in Wales?). Darf ich Fell Running als Untermenge von Trail Running ansehen? Ich sehe schon die Fell Runner, wie sie ihre Schuhe als Wurfgeschosse bereitlegen, w\u00e4hrend Traill\u00e4ufer unter Protestgeschrei ihre St\u00f6cke drohend erheben.
\nSchon gut, ich habe verstanden. Fell Running ist nicht Trail Running.<\/p>\n

Aber es gibt sie, die Oase der Ruhe. Parcour. Man folgt den Prinzipien von Georges H\u00e9bert, um eine gegebene Route mit Hindernissen so effizient wie m\u00f6glich zu \u00fcberwinden.<\/p>\n

Nein. Keine Oase, und schon gar keine Ruhe.<\/p>\n

Weil es n\u00e4mlich allzu nett ist, zur Freude des Publikums ab und an mehr Akrobatik einzusetzen als n\u00f6tig, haben sich, wer h\u00e4tte es gedacht, zwei Schulen entwickelt. Die reine Lehre, und die mehr auf Show ausgerichtete Variante. Letztere \u00fcberschneidet sich ihrerseits irgendwie mit Freerunning. <\/p>\n

Ich blicke nicht durch, mir schwirrt der Kopf.
\nAm besten, ich mache einen Waldlauf.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

„Ich laufe“. Beantwortet man die Frage, welchen Sport man treibe, auf diese Weise, so findet man sich unweigerlich als Kretin im gesellschaftlichen Abseits wieder. Der feinsinnige Sportler von heute l\u00e4uft nicht, er betreibt Crosslauf, Speed Hiking, City-Marathon oder Landschaftsl\u00e4ufe. Was ist jetzt was? Um uns im Wirrwarr zurechtzufinden, beginnen wir beim groben Klotz, um ihn … \u201efein zerrieben\u201c<\/span> weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[6],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1068"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=1068"}],"version-history":[{"count":44,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1068\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":1386,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/1068\/revisions\/1386"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=1068"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=1068"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=1068"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}